Seit mehreren Jahren hat Friesoythe eine Heinrich-von-Oytha-Straße und die Heinrich-von-Oytha Schule. Friesoythe ehrte durch diese Namensgebung „seinen" größten Sohn Heinrich Totting von Oytha. An der Kirche wurde eine Bronzeplastik aufgestellt, die 1973 von der Düsseldorfer Künstlerin Ilse Hoffmann geschaffen wurde. Sie zeigt, wie man sich von Oytha vorstellen kann:
Heinrich Totting von Oytha
(Beschreibung einer Plastik) Mensch der edlen Geistentfaltung. Spröd im Stand, trägt er wie aus innerer Haltung das Gewand. Seine Linke, griffbewogen, halb im Stoß, birgt das Buch der Theologen streng am Schoß. Und die Rechte vor dem schweren Faltenhang formt wie liebendes Bescheren frommsten Deutungsdrang. Stil will stumme Predigt schenken, weil auch das Gesicht, schmal geprägt aus ernstem Denken, innig uns bespricht. Von Constanz Vogel |
Leben und Wirken des Heinrich von Oytha
Er lebte vor 600 Jahren, also im 14. Jahrhundert: geboren etwa 1330, gestorben 1397.
Sein Lebenslauf:
Er war Student in Paris und Prag, wo er 1355 „Magister artium“ (heute: Dr. phil.) wurde. Dieser Grad berechtigte ihn zur Ausübung eines akademischen Lehramts. Neben seiner Dozententätigkeit in Prag studierte er Theologie, ging noch einige Jahre nach Paris und wurde dort zum „Magister theologiae“ befördert. Er war Weltpriester, Kleriker der Diözese Osnabrück, zu der damals auch der heutige Landkreis Cloppenburg gehörte. Drei Jahre dozierte er wieder in Prag als Theologieprofessor, berufen vom Kaiser Karl IV., seinem Gönner und Förderer. Dann verließ er die Stadt und die Universität fast gleichzeitig mit Heinrich von Langenstein, mit dem ihn eine lebenslängliche Freundschaft verband und ging nach Wien. Dort baute er mit diesem zusammen die noch junge, aber arg zerrüttete Universität auf und aus, er besonders die theologische Fakultät, die gerade neu errichtet wurde. Die beiden werden als die Gründer dieser, nach Prag ältesten deutschen Universität gefeiert.
War Heinrich von Oytha ein Friesoyther?
Friesoythe erlebte damals seine Blütezeit. Der große Vorrat an Raseneisenerz, das in eigenen Meilern (Rennöfen) mit Torf als Brennstoff aus den weiten Mooren der Umgegend verhüttet wurde, ließ ein blühendes Schmiedehandwerk erstehen, das seine Sensen und Schwaden nach überall hin verkaufte. Die Stadt war ein vielbesuchter Marktort und Mitglied der Hanse. So verwundert es nicht, dass mehrere ihrer Söhne auf die Universität zogen und Magister und Professor wurden.
Die Beantwortung der Frage, ob Heinrich ein Friesoyther war, folgt den Ausführungen von Dr. Albert Lang, Universitätsprofessor in Münster, Bonn und München, über „Heinrich Totting von Oytha. Er veröffentlichte 1932 in Münster eine Schrift Heinrichs von Oytha: „Quaestio de Sacra Scriptura et de veritatibus Catholicis (Abhandlung über die Hl. Schrift und die katholischen Wahrheiten). In der Praefatio (Vorwort, S. 1) schreibt er: „Über den Verfasser Heinrich Totting, geboren zu Oyte, einer oldenburgischen Stadt, Weltpriester der Osnabrücker Diözese...“
Heinrich hieß also mit Familiennamen oder Beinamen Totting u. a. nach seinem Geburtsorte von Oytha. Der Name Totting ist weder in Friesoythe noch im Wiedenbrücker Bezirk, wo er eine Propsteipfründe hatte, zu lokalisieren, noch ist seine Bedeutung erklärt. Außer ihm gab es an der Wiener Universität noch den jüngeren Heinrich Olting von Oytha und einen Heinrich Pape von Oytha; es sind also drei gleichzeitig lebende und lehrende Heinrich von Oytha zu unterscheiden. Aschbach schreibt in seiner „Geschichte der Wiener Universität im 1. Jahrhundert ihres Bestehens I. (Wien, 1865)":
„Oytha oder Friesoyta lag in der zu Ostfriesland gehörigen Grafschaft Tecklenburg; gegenwärtig liegt dieser Ort, Friesoythe genannt, im Großherzogtum Oldenburg."
Fest steht, dass Heinrich zur Diözese Osnabrück gehörte, woraus wegen der damaligen Sesshaftigkeit der Familien zu schließen ist, dass er hier auch geboren wurde und seine Heimat hatte. Er wird öfters „Henricus de Osnabrück" genannt; Friesoythe gehörte damals zur Diözese Osnabrück.
1376 erhielt er die Propsteipfründe von Wiedenbrück, aus der er fortan seinen Unterhalt bezog. Das besagt aber bei der damaligen kirchlichen Praxis von Vergabe kirchlicher Pfründen nicht, dass er von dort stammen muss.
Aus der ausdrücklichen Betonung „Friesoytha“ — auch sonst in lateinischer Übersetzung als Oytha Friesita benannt — ist wohl zu entnehmen, dass nicht das damals kleine Dorf Oythe bei Vechta als Geburtsort gemeint ist; außerdem ist Friesoythe auch wegen seiner damaligen Bedeutung als Hanse- und Gewerbestadt eher als der Heimatort anzunehmen. Für Friesoythe als Geburtsort spricht weiter, dass zu einem Auslandsstudium ein gewisses Vermögen gehört, das einer Familie der Hansestadt Friesoythe zumutbar ist."
Wie dem auch sei: Heinrich von Oytha war ein Sohn unserer engeren niedersächsischen Heimat, und als solchem wurde ihm in Friesoythe, das wahrscheinlich seine Heimatstadt ist, ein Denkmal errichtet.
Worin bestand seine Bedeutung?
Heinrich war in erster Linie Theologe. Er hat eine überaus rege Vorlesungs- und Predigertätigkeit entfaltet, die ihren Niederschlag in zahlreichen theologischen Schriften dogmatischen, exegetischen, philosophischen und asketisch-moralischen Inhalts fand, in ausführlichen Kommentaren und kleinen Abhandlungen in großer Zahl. Nur ein Bruchteil davon ist gedruckt, andere Handschriften liegen in vielen anderen Bibliotheken.
Von den gedruckten Werken seien genannt:
Quaestiones sententiarum.
(Erklärung der vier Sentenzbücher, der Grundlage des damaligen Theologiestudiums)
A rticuli damnati, Traktatus de contractibus, Avisamenta
(Predigten, Erklärungen zu den vier Evangelien)
Heinrich vertrat in seiner Lehre einen scholastischen Thomismus gegen den Nominalismus. Er gehörte zu den Theologen, „die die verderbliche Richtung des Nominalismus abbiegen und fast unbemerkt den Anschluss an die scholastische Tradition wiedergewinnen konnten". „Obwohl er mit der modernen Strömung in Kontakt blieb, hat er die Abwendung von den nominalistischen Grundanschauungen am schärfsten vollzogen und der Wiedererweckung des Thomismus wertvolle Dienste erwiesen. Welche Bedeutung Heinrich hierin zukommt, zeigt die Tatsache, dass die gemäßigte Richtung der scholastischen Philosophie oft als die „Via Henrici de Oytha“ umschrieben wurde.
Seine eigentliche Bedeutung liegt auf dem Gebiet der Dogmengeschichte. In Prag geriet er 1371 über einige Thesen mit dem Domscholastikus Adalbert Ranconis de Ericinio in Streit, und es wurde ein Prozeß gegen ihn in Avignon anhängig, der mit einem päpstlichen Freispruch für Heinrich endete.
In Wien entfaltete er sein großes Organisationstalent. Die Universität war in Unordnung geraten. Heinrich hat sie reorganisiert und überdies eine theologische Fakultät, die noch fehlte, aufgebaut. Er war der einzige, der vielen neuen Lehrer in Wien, der die Pariser und Prager Universität kannte, deren Statuten für die Wiener Vorbild waren. Die Gestaltung des Universitätslebens und die geistige Einstellung wurden von ihm geformt. Er machte sie zu einer Stätte der Wissenschaft, vor allem aber der Tugend und der guten Sitten. In vielen zeitgenössischen Urteilen kommt seine große Bedeutung zum Ausdruck; er wird neben Heinrich von Langenstein als Gründer der Universität bezeichnet, die sie zu einem rasch aufblühenden, hoch angesehenen und einflussreichen Kulturzentrum in deutschen Landen machten.
Das 14. Jahrhundert zeigte auf naturwissenschaftlichem und volkswirtschaftlichem Gebiet neue, kräftige Ansätze. Heinrich nahm ausführlich Stellung zu den wirtschaftlichen Verhältnissen und Strömungen seiner Zeit, besonders zur Frage „Zins und Wucher".
Heinrich von Oytha beleuchtet in einer eigenen Stellungnahme damals schon das Für und Wider vieler Arten von Rentenverträgen und kommt zu dem Schluss, dass die Realrente kein Übel sein könne, wenn beide Parteien davon profitieren. Er verwahrt sich allerdings scharf gegen alle Verträge, die unter Ausnutzung eines in Not geratenen Haushalts abgeschlossen werden und die „charitas dei et proximi" (die Gottes- und die Nächstenliebe) vermissen lassen. Aus diesem Grunde müsse ein Rentenvertrag von Seiten des Rentenkäufers jederzeit ablösbar sein; das Verhältnis der Rente zum Preis dürfe etwa 1 zu 10 bis 14 nicht übersteigen. 1425 anerkannte die päpstliche Kurie Rentenverträge unter den Bedingungen, die Heinrich in seinem Traktat erörtert und gebilligt hatte.
Wechselvoll war das Leben unseres Gelehrten, reich an Arbeit und Erlebnissen. Er meisterte es mit nie rastender Arbeitsfreude, nie verzagender Arbeitskraft, ein Kämpfer, doch stets auf Ausgleich bedacht. „Einer der bedeutendsten Gelehrten des 14. Jahrhunderts“ - Johann Gerson, wird seinen Kollegen und Freund Heinrich von Oytha gut genug gekannt haben, wenn er ihn einmal kurz so charakterisiert. Heinrich hat immer versucht, „Extreme" auf eine vernünftige Mitte zurückzuführen.
Seine hinterlassenen Schriften sind umfangreich und stehen auf wissenschaftlicher Höhe. Er, der Weltgeistliche und Universitätsprofessor, war ein Freund verschiedener Klöster und Orden, besonders der strengen Kartäuser. Im deutschen Ritterorden war er Halbbruder. Tiefste Freundschaft verband ihn mit Heinrich von Langenstein. Beide Gelehrte starben im selben Jahre, 1397, beide wurden nebeneinander im Stefansdom beim Altare des Evangelisten Johannes begraben. Später (1510) wurden sie exhumiert und wieder gemeinsam in der Katharinenkapelle des alten Turmes beigesetzt. Leider ist ihr Grab nicht mehr genau zu bestimmen.
Literatur
1. Lang, Heinrich Totting von Oythe. Ein Beitrag zur Entstehungsgeschichte der ersten deutschen Universitäten und zur Problemgeschichte der Spätscholastik. In: Beiträge zur Geschichte der Philosophie und Theologie des Mittelalters, hg. von Grabmann, XXXIII, Münster 1937, Aschendorffsche Buchh.
2. Prof. Dr. W. Hanisch, Vechta: Heinrich Totting aus Oyte und Konrad von Vechta. Zwei Oldenburger in der Geschichte Böhmens. Sonderdruck aus: Nordrhein-Westfalen und der deutsche Osten. Veröffentlichungen der ostdeutschen Forschungsstelle im Lande Nordrhein-Westfalen, Reihe A, Nr. 12. Dortmund 1967.
3. Flaskamp, Franz, Der Wiedenbrüder Stiftspropst Heinrich Totting von Oythe, Lebensbild eines westfälischen Theologen im 14. Jahrh. In: Jahrbuch des Vereins für westf. Kirchengeschichte, 51,2 (1958/9) S. 9 ff.
4. Ostendorf, Karl, Karolimünster bei Aachen, Heinrich Totting von Oytha: Seine Bedeutung im Rahmen der Ideengeschichte des 14. Jahrhunderts (unveröffentlicht).
5. Sichart, Karl, Oldenburger Studenten auf deutschen und außerdeutschen Hochschulen (01- denb. Jahrb. 26 1919/20, S. 196 ff).